Alea iacta est – die Würfel sind gefallen. Eine in allen Belangen historische Mitgliederversammlung fand nach einem wahren Marathon von guten 8,5 Stunden um 2:41 Uhr ein Ende.
Die wahrscheinlich personell wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Versammlung:
Carsten Wettich wurde mit 69,5 Prozent der abgegebenen Stimmen zum Vizepräsidenten des 1.FC Köln gewählt. Zu dieser Wahl gratulieren wir ihm recht herzlich. Ebenfalls wurde der Vorstand mit 66,07 Prozent der abgegebenen Stimmen entlastet. Auch hier möchten wir an dieser Stelle unseren Glückwunsch aussprechen.

Würde man Kritik anbringen wollen, so wäre dies der Umstand, dass auf die Wahl des Vizepräsidenten gerade einmal 2.065 Stimmen entfielen. Diese Kritik wäre aus unserer Sicht aber vollkommen unangebracht. Warum?
Was gab es im Vorfeld nicht alles für Diskussionen um diese Veranstaltung. Verschiebungen, um diese in gewohnter präsenter Form abhalten zu können, die Überlegungen eine Hybridveranstaltung zu organisieren oder aber wie letztendlich durchgeführt, eine reine Online-Variante.
So hätten Mitglieder es also einfach gehabt wie nie, von ihrem Stimmrecht zum Wohle des Vereins Gebrauch zu machen. Einziger Kritikpunkt von unserer Seite wäre hier die unterschiedliche Behandlung von Mitgliedern, die die Einstiegshürde gerade für das reifere Publikum mit Sicherheit nicht einfacher gemacht hat. Wir finden, dass eine aktuelle Identifizierung entweder für alle oder für kein Mitglied hätte stattfinden dürfen – dies aber nur als Randnotiz.
Grundsätzlich und in der Theorie hätten also alle wahlberechtigten Mitglieder die Möglichkeit einer Teilnahme nutzen können. So hatten sich vor Veranstaltungsbeginn gerade einmal 9.500 Mitglieder registriert, eine stolze Zahl im Vergleich zu vorangegangenen Veranstaltungen, allerdings in Relation doch sehr enttäuschend, wenn man von einer aktuellen Zahl von 84.000 wahlberechtigten Mitgliedern ausgeht. Dass dann die tatsächlich eingewählte Mitgliederzahl lt. Versammlungsleiter Ludwig Kley zu Beginn der Veranstaltung bei gerade einmal guten 6.000 Mitgliedern lag, ist dann doch ziemlich ernüchternd. Wenn dann zu späterer Stunde bei einer wichtigen Personalentscheidung des Vizepräsidenten gerade noch 3.000 Stimmen abgegeben werden, dann ist diese Quote noch erschreckender. Natürlich fand diese Wahl zu einem späteren Zeitpunkt statt, noch einfacher, wenn man vom Identifizierungsprozess absieht, wird man den Mitgliedern aber eine Wahlmöglichkeit nicht machen können.

Wir finden, dass daher auch die wenig abgegebenen Stimmen ein durchaus repräsentatives Ergebnis darstellen. Nicht zwingend das Ergebnis aller Mitglieder, aber auf jeden Fall das Ergebnis derer Mitglieder, die sich vereinspolitisch für den Verein einsetzen möchten.
Dies gilt sowohl für die Wahl des Vizepräsidenten, als auch für die Entlastung des aktuellen Vorstandes. Das ist Vereinsdemokratie und daher sind diese Ergebnisse ohne Wenn und Aber zu akzeptieren. Die Mitglieder haben entschieden, in welche Richtung der FC vereinspolitisch zumindest in den nächsten 18 Monaten gehen wird. An den Versprechungen wird sich der Vorstand also dann im Jahre 2022 messen lassen können und müssen.

Die Mitgliederversammlung kurz und knapp zusammengefasst:
Der Versammlungsleiter Ludwig Kley führte gewohnt souverän durch die Veranstaltung, auch wenn man den Eindruck gewinnen durfte, dass ein wenig mehr Vorbereitung zu einem flüssigeren Ablauf hätte beitragen können.

Die Reden von Dr. Werner Wolf und Eckhard Sauren waren aus unserer Sicht relativ oberflächlich, was die Thematik eines umfassenden „7-Jahres-Plans“ wohl mit sich bringt, den man dann nur sehr grob behandelt. Thematisch wäre es sicherlich wünschenswert gewesen, wenn man auch hier einmal wenigstens ansatzweise erläutert hätte, wie man denn die wichtigsten Meilensteine umsetzen möchte. Ansonsten viele Entschuldigungen für Versäumnisse der Vergangenheit und die Aussprache eines klaren Wahlappells für Carsten Wettich.
Ob eine digitale Mitgliederversammlung nun der geeignete Ort ist, um eine persönliche und mediale Abrechnung mit Herrn Struth zu vollziehen, nachdem man im Vorfeld darauf hingewiesen hat, dass man sich an einer medialen Schlammschlacht nicht beteiligen würde, das bleibt das Geheimnis von Herrn Wolf. Aber so ist es dann eben in der virtuellen Welt, wenn der vermeintliche Gegner nicht antworten kann. Ebenfalls war die Geschichte aus dem Märchenland im Norden äußerst geschmacklos. Wenn man zu Beginn seiner Rede kleinlaut die Mitglieder um Verzeihung bittet, dann sollte man nicht in der gleichen Rede hingehen und andere Vereine verspotten, wenn man selbst nur knapp dem Abstieg entgangen ist. Aus unserer Sicht eine absolut unnötige Handlung.
Enttäuschend und zugleich aussagekräftig dann auch seine Reaktion auf die Frage eines Mitglieds, wie es sein kann, dass immer wieder interne Informationen, wie z.B. aus dem Gemeinsamen Ausschuss, medial an die Öffentlichkeit gelangen können, noch bevor es durch den Verein offiziell bekanntgegeben wurde. Mit seiner Antwort, dass man sich diese Frage auch schon gestellt hätte, dass es aber gewachsene Verbindung zwischen Funktionären und Pressevertretern geben würde lässt daraus schließen, dass sich hier nichts verändern wird – besser gesagt, dass sich hier nichts verändern soll? Eine professionelle Arbeitsumgebung sieht hier wahrlich anders aus.

Auch Carsten Wettich, der einmal aus dem Vorstand berichtete und später um seine Kandidatur warb räumte Fehler in der Kommunikation ein. Ein erster Schritt wurde in der Schaffung des neuen Fan-Dialogs geschaffen. Diversität und ein fairer Umgang miteinander sollten mit dazu beitragen, die Belange der Fans zu verstehen und miteinander zu vereinen. Hier wartet wahrscheinlich dann auch eine erste offizielle Aufgabe als frisch gewählter Vizepräsident. Denn bereits während der laufenden Mitgliederversammlung offenbarte ein Mitglied dieses Formats in den sozialen Medien, dass diese Werte nun überhaupt nicht gelebt werden. Wer andere Mitglieder öffentlich als Plärrer tituliert, die Fragen von anderen Mitgliedern als „Lauter dummes Zeugs“ bezeichnet oder aber zustimmend reagiert, wenn FC-Mitglieder als „Ratten und Hohlraumversieglung“ beschimpft werden, der ist für diesen Austausch mit Sicherheit nicht mehr tragbar. Dann auch noch die Vertreter von fans1991 zu diskreditieren, die ebenfalls an diesem Dialog teilnehmen, ist ein Vorgang, der mit Worten nicht zu beschreiben ist. Hier wird der Vorstand durchgreifen müssen und es bleibt nun abzuwarten, welche Konsequenzen aus derartigen Entgleisungen gegen Mitglieder des Vereins eingeleitet werden.
Denn in dieser Konstellation wäre das eigentlich gut gedachte Format durch nicht zu entschuldigende Fehlverhalten eines Mitglieds bereits gescheitert.
Schade war es, dass Fragen hinsichtlich Pyrotechnik im Stadion oder aber den Umgang mit gewaltverherrlichenden Choreos im Stadion nicht beantwortet oder übergangen wurden, obwohl diese laut und deutlich vorgelesen wurden. So bleibt die Einstellung des Vizepräsidenten zu diesen Themen leider unbeantwortet.

Alexander Wehrle hätte wahrscheinlich lieber andere Zahlen verkündet, als die Zahlen, die er bedingt durch die Pandemie im Gepäck hatte. Souverän betete er seinen Verantwortungsbereich hinunter und war zumindest als Redner ein Lichtblick dieser Veranstaltung. Es ist davon auszugehen, dass Wehrle zukünftig größerer Kritik ausgesetzt sein wird – seinen Gegnern besitzt er bereits heute zu viel Macht. Als nun alleiniger Geschäftsführer wird diese Macht nun mit Sicherheit nicht weniger werden. Dieser Umstand ist insoweit grotesk, als dass diese Tatsache der Handlung des Vorstands geschuldet ist. Denn durch die Konstellation mit Jörg Jakobs und Thomas Kessler wird es hier erst einmal ein Macht-Vakuum geben.

Die Rede vom Mitgliederratsvorsitzenden Ho-Yeon Kim war sehr speziell, wofür er gerade von seiner Anhängerschaft in den Sozialen Medien gefeiert wurde. Bezeichnend für die vermeintlichen Machtverhältnisse im Verein, schien seine Redezeit zeitlich am längsten zu sein. An dieser Stelle möchten wir uns wie bei den anderen Protagonisten auch, nicht auf einzelne Themeninhalte konzentrieren. Nicht zu verstehen war die Art und Weise von Verkündungen von verschiedenen Themenbereichen. Wer mit seiner Arbeit im Reinen ist, der hat es wahrscheinlich nicht nötig, gegen ehemalige Funktionäre zu giften oder nicht namentlich erwähnte Mitarbeiter oder Abteilungen im Geißbockheim anzugehen. Hier hätte man sich ein sofortiges Eingreifen des Präsidenten gewünscht, der hier natürlich durch eine Co-Abhängigkeit keine Größe vor Ort gezeigt hat. Wenn dann auch noch vollkommen gezielt über Kosten im mittleren fünfstelligen Bereich eines ehemaligen Funktionärs gesprochen wird, worüber es nach Abschluss aller Prüfungen grundsätzlich keinen Redebedarf mehr gegeben hätte, dann darf man auch hier von einer gezielten Kampagne gegen diese Person ausgehen. Wenn ebenfalls am gleichen Abend über eine gezielte Kampagne gegenüber den damaligen Vorsitzenden Stefan Müller-Römer gesprochen wurde, dann ist dieses an den Tag gelegte Verhalten erst recht nicht erklärbar. Dass es im Nachgang dann lt. Medienberichten zu einer Entschuldigung von Dr. Wolf am Folgetag gekommen sein soll, zeigt aus unserer Sicht recht deutlich, dass die Definition von „Gemeinsam gewinnen wir alle“ letztendlich auch nur eine Phrase zu sein scheint.

Wenn Ho-Yeon Kim darüber spricht, dass der nicht immer unkritisch betrachtete Mitgliederrat als Dialogstelle vieler Mitglieder gesehen wird, dann sollte man sich vielleicht auch einmal selbst die Frage stellen, ob der Mitgliederrat denn tatsächlich die Interessen aller Mitglieder vertreten möchte, oder aber nur die Interessen einiger lauten Gruppierungen.

Der erfreuliche Aspekt ist, dass es technisch gesehen gelungen ist, eine virtuelle Mitgliederversammlung ohne größere Störungen hinzubekommen. Dies sollte eine gute Voraussetzung sein, um eine hybride Veranstaltung zum Ende des Jahres 2021 gewährleisten zu können.

Es bleibt die Frage, warum sich so wenig Menschen für die Vereinspolitik rund um den 1.FC Köln interessieren? Ist es eine gewisse Müdigkeit durch die öffentlichen Darstellungen oder ist es vielleicht auch nur eine Ahnungslosigkeit bezüglich der Gremien-Vielfalt im Verein?
Daher werden wir auch zukünftig die vereinspolitischen Themen rund um den 1.FC Köln in unserem Beiträgen aufnehmen und uns weniger auf die sportlichen Belange konzentrieren, da es aus unserer Sicht hier bereits ausreichend Formate gibt.
Wir freuen uns auf die neue Saison und gehen nun auch davon aus, dass es während der Sommerpause etwas ruhiger in und um den Verein wird.
Bedanken möchten wir uns bei mittlerweile guten 2.000 Abonnenten auf dieser Seite. Innerhalb von nur drei Monaten hätten wir mit einer derartigen Resonanz nicht unbedingt gerechnet.
Auch wenn hier teilweise sehr leidenschaftlich diskutiert, analysiert und gestritten wurde – größtenteils verlief es dann doch in einem vernünftigen Rahmen, und dass obwohl hier äußerst unterschiedliche Meinungen vertreten wurden.

Um es nicht zu vergessen: Unsere Fragen an den Vorstand, die wir im Vorfeld der Mitgliederversammlung eingereicht haben, blieben leider unbeantwortet. Und für einige Kritiker: Nein, diese Fragen wurden nicht anonym, sondern mit Klarnamen des Redakteurs gestellt…

Ein Kommentar

  1. Danke für diese sehr abgewogene Kommentierung der MV!
    Es trifft ins Schwarze danach zu fragen: wen vertritt eigentlich der Mitgliederrat? Mich als vereinspolitisch interessiertes Mitglied jedenfalls nicht. Und ich kenne in meinem Umfeld auch sonst niemand, der/die sich vom MR vertreten fühlte. An dieser Stelle verläuft m.E. die Trennlinie.
    Hier die Mitglieder, die mitregieren und kontrollieren wollen, um ihre Vorstellungen von aktivem Fan-Sein (Choreo, Pyro, Anti-Kommerzialisierung, alle Macht den Mitgliedern etc.) durchzusetzen. – da die Mitglieder, die Vorstand und GF optimal aufgestellt und agieren sehen wollen, um sportlich maximale Freude am FC zu haben.
    Anzuerkennen ist, dass die MR-Szene deutlich besser organisiert ist und Mehrheiten in der MV mobilisieren kann. Diese gut organisierte Szene wird auch vom Vorstand permanent adressiert, wenn Entschuldigungen für Versäumnisse der Vergangenheit und gelobte Besserung im Dialog mit „den Mitgliedern“ vorgebracht werden.
    So stellt sich zugleich die Frage: wessen Vorstand wollen die Herren Wolf, Sauren, Wettich denn sein?

    Der FC wird von einer Minderheit gelenkt. Gerade mal 2-3% aller stimmberechtigten Mitglieder entlastet den Vorstand und wählt den Vize. Das ist demokratisch nicht zu beanstanden. Darüber freuen kann sich allerdings nur die aktive Minderheit.

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